Wiederkäuer – Männermonotonie in Rap, Graffiti und Graffitirap … und was Männer dagegen tun können.

Von Christoph May

Erschienen im Sammelband Rap & Geschlecht – Inszenierungen von Geschlecht in Deutschlands beliebtester Musikkultur bei Beltz/Juventa 2021, Heidi Süß (Hrsg.)

CW Misogynie, Sexismus, Gewalt, Hypermaskuline Monokultur

Kurz vorweg: Ich schreibe hier als Männerforscher, Aktivist und Unternehmer, nicht als Wissenschaftler eines regulären Uni-Betriebes. Gemeinsam mit der Schriftstellerin Stephanie May habe ich das Institut für Kritische Männerforschung gegründet. Ziel unserer Arbeit ist es, männliche Monokulturen aufzubrechen und die Kritik an Männern und Männlichkeiten zu beschleunigen. Meine Haupttätigkeit besteht darin, Organisationen und Unternehmen über Männerbünde, Männerbilder und Kritische Männlichkeit aufzuklären. Um den Diskurs in die breitere Öffentlichkeit zu tragen, betreibe ich eine Facebook-Gruppe zum Thema. 

Ich bin also schon lange nicht mehr rein wissenschaftlich und objektiv bei der Sache, sondern emotional sehr eingebunden und beinahe täglich damit beschäftigt, zumeist mit Gleichstellungsbeauftragten darüber zu beraten, wie wir die männlichen Kollegen davon überzeugen können, sich für unsere Seminare anzumelden. Wobei überzeugen nicht ganz richtig ist. Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, sie direkt aufzufordern und ihnen klar zu machen, dass sie ein unmissverständliches Statement an ihre Kolleg:innen[1] senden, wenn sie nicht teilnehmen, sich wegducken und weiterhin nicht aktiv für Frauenrechte und Gleichstellung engagieren. Ich schließe meinen Essay deshalb mit einem Rant, einer Wutrede gegen die männlichen Abwehr-Strategien, die mir in meiner Arbeit unentwegt entgegenbranden.

1 Short Graffiti-Bio

Während meiner aktiven Zeit in der Potsdamer und Berliner Graffiti-Szene von 1996 bis 2011 war ich unter verschiedenen Pseudonymen aktiv: OXQR, KRISE, FAZER, STUART, SMITH, CALIGULA, SUSI QUATRO und THRILL. Zu meiner Crew, den Awful Habits (AH), zählten vier männliche Freunde: PUSSY, KULT, ROUS und AFUR. Wir kamen allesamt aus Cottbus und sind später in Berlin, München, Halle und Leipzig gelandet. Darüber hinaus war ich in zwei weiteren Berliner Crews eingebunden: RYC (Reclaim Your City) und DOOF. Meine Spezialität und die meines Freundes JUST (USW, RYC) waren Feuerlöscher-Tags[2]. Wir waren damals die ersten, denen es nach zweimonatigen Testläufen gelungen ist, die Farbfontäne so unter Kontrolle zu bekommen, dass sich halbwegs gerade Linien ziehen ließen.

Parallel dazu habe ich von 2006 bis 2011 mit drei Freunden das Berliner Graffiti-Archiv Überdose.de aufgebaut. Ein nicht-kommerzielles Foto-Kompendium für Graffiti in Berlin und International mit zuletzt mehr als 50.000 selbstgeschossenen Fotos. Von 2008 bis 2013 war ich als Administrator der internationalen Graffiti-Plattform Streetfiles.org von ESHER, MOVEL und HAUSBURGER aktiv; die erste weltweite Online-Community für Graffiti mit zehntausenden Maler:innen und beinahe einer Million Fotos. Mit PUSSY (AH) und FUNK (RHB) habe ich von 2008 bis 2015 die Kreuzberger VerUnstaltungsreihe Vandal Cafè organisiert, in der wir auch Männlichkeit in der Graffiti-Szene thematisiert haben.

2 Der Feind: Die Frau

Kommen wir nun zum Rap: Ein diverser, diss- und diskriminierungsfreier Rap ist für die meisten männlichen Rapper nicht mal denkbar. Warum? Wie Rolf Pohl in Feindbild Frau (2004) zeigt, gehört „die Abwertung von Frauen […] fest zur männlichen Identität” (Pohl 2009). „Männliche Initiationsriten unter Ausschluß der Frauen und der gesellschaftlichen Abwertung von Weiblichkeit sind für die kulturelle Erzeugung hegemonialer Männlichkeit entscheidend” (Verlagsankündigung, Pohl 2004). Männlich dominierte Strukturen, Institutionen und Kulturproduktionen sind ohne die Abwehr von Frauen folglich gar nicht vorstellbar.

Die Abwehr in Zahlen: Nach der aktuellen Studie der USC Annenberg Inclusion Initiative über die internationale Musikindustrie von 2020 waren in den vergangenen acht Jahren nur 21 Prozent der Künstler:innen weiblich. Das entspricht einem Verhältnis von eins zu fünf. Auf fünf Männer kommt etwa eine Frau (vgl. Stacy L. Smith 2020). Im Deutschrap liegt das Verhältnis sogar bei sieben zu eins: 2019 waren „unter den 20 erfolgreichsten Deutschrap-Alben […] mit Juju, Loredana und Shirin David drei Frauen vertreten” (Rohwer 2020). Dieselbe Studie führt unter den ersten zehn Rappern mit dem höchsten Anteil an Songs mit sexistischem Vokabular ausschließlich Männer: Frauenarzt (77%), King Orgasmus One (73%), SpongeBOZZ (72%), ShimmyMC (71%), Al-Gear (68%), Farid Bang (68%), Hustensaft Jüngling (68%), OG Keemo (65%), Der Asiate (64%) und Kollegah mit 64 Prozent (ebd.). Für Graffiti gibt es keine Zahlen

@deutschrapmetoo

3 Vier Dimensionen spätmoderner Männlichkeit: Gebrochenes Tanzen, Schnelles Sprechen, geheime Codes sprühen und rhythmische Sounds basteln

Männlich dominierte Monokulturen wie die Rap- und HipHop-Industrie haben den Ausschluss von Frauen, inter und trans Personen von Anbeginn und über viele Jahrzehnte hinweg in gesamtgesellschaftliche Strukturen gegossen und institutionalisiert. Misogynie ist folglich kein immanentes Symptom dieser Industrien, nein, Frauenhass, Frauenverachtung, Sexismus und die Abwehr alles Weiblichen bilden das Fundament, auf dem sie errichtet wurden. Die Machonomics (vgl. Marçal, 2016) der zunächst „jugendkulturkapitalistischen” (Reckwitz 2017, S. 107) Rap-Szene werden heute weltweit als Mainstream rezipiert. Die Besonderheiten der vormals vier singulären Dimensionen des HipHop – Rap, DJing, Breakdance und Graffiti – haben sich in jeweils allgemeine Strukturlogiken[4] der Spätmoderne aufgelöst und wirken nun aus dem Hintergrund (ebd.).

Im Vordergrund hingegen kämpfen zunehmend mehr Menschen für eine vielfältige, diskriminierungsfreie und nachhaltige Zukunft. Sie haben damit begonnen, BIPoC (Black, Indigenous and People of Color), Frauen, inter und trans Personen zuzuhören und ihre eigenen Rollen und Privilegien konsequent zu hinterfragen. Sie wollen traditionelle Männlichkeiten und Männerbünde überwinden, damit ihre Erfahrungen, Erzählungen und Beziehungen künftig diverser, freier, interessanter und damit auch erfolgreicher sind als je zuvor.

Wie lange wird es also dauern, bis es ihnen gelingt, die männlich dominierten Industrien zu unterwandern, einzunehmen und umzubauen? Und ist das überhaupt ihre Aufgabe? Nein, natürlich nicht. Einzig die Männer müssen hier in Pflicht und Verantwortung genommen werden, ihre strukturbildenden und übermächtigen Monokulturen hinter sich zu lassen, zu öffnen und ihre Bühnen, Labels und Studios zur Verfügung zu stellen. Das würde nicht nur die Gleichstellung der Geschlechter enorm beschleunigen, sondern auch die Repräsentation und Sichtbarkeit von BIPoC, Frauen, inter und trans Personen. Wie machtlos sich selbst populäre, privilegierte und selbsternannte Rap-Propheten gegenüber männlich dominierten, weißen Schweige- und Blockadekulturen im Musikbusiness fühlen können, zeigten kürzlich zwei Tweets des Trump-Supporters und Evangelisten Kanye West, der aus Protest gegen seine als Knebel empfundenen Verträge bei Universal und Sony auf seinen Grammy-Award pinkelte. Zuvor bezeichnete er die Musikindustrie und die Basketball-Profiliga NBA als moderne Sklavenschiffe und rief sich selbst zum „new Moses” (West, 2020) aus.

4 Diversität als Strukturlogik der Post-Spätmoderne?

Für die Mehrheit aller Rapper:innen und HipHop-Fans ist ein diverser, diss- und diskriminierungsfreier HipHop also nur deshalb nicht vorstellbar, weil sie es nicht anders kennen. Heute stehen die Chancen für Teens zwar besser, mit feministischen, intersektionalen und queeren Künstler:innen in Kontakt zu kommen wie Leila Akinyi, Lia Şahin, Nura Habib Omer, Die P, Sookee, Babsi Tollwut, Plaeikke, Haszcara, Sir Mantis, Form, Mavie Phoenix, Haiyti, Loredana oder Juju u.v.m. Auf Instagram rappen die Femmes am Mic. Die Datenbank von Lina Burghausen – 365 Female* MCs – zählt international bereits 1800 Rapper:innen. Von Kae Tempest und Young M.A[5] über cupcakKe bis Megan Thee Stallion. Doch wer sich durch die reichweitenstarken Streaming-Kanäle im Deutschrap wie Modus Mio oder Underrated Deutschrap scrollt, sieht auf den ersten Blick, dass die Mainstream-Strukturen auch im Kleinen wirken: Männliche Rapper dominieren das Business erheblich. Bei den hochtoxischen Battlerap-Formaten TopTier Takeover und Battlerap-Bundesliga stehen zu 99 Prozent Männer auf der Bühne.[6] Die strukturellen Mühlen der Macht mahlen langsam. Faktische und repräsentative Gleichstellung liegen in weiter Ferne.

Vom Rap zum Graffiti. In der illegalen Graffiti-Bewegung gibt es bislang keine Erhebungen zum Männeranteil. Schätzungen der Männer-„Szene” selbst liegen zumeist bei „gefühlten” 95 Prozent. Die männlich dominierte Graffiti-Geschichtsschreibung leugnet und verschweigt die verbleibenden fünf Prozent Frauenanteil schließlich komplett. So erschien im November 2019 zum Beispiel ein Katalog zur gleichnamigen Ausstellung Berlin: Writing Graffiti, in dem konsequent auf geschlechtergerechte Sprache Wert gelegt wird: „Old SchoolerInnen und New SchoolerInnen”, „WriterInnen”, „AkteurInnen”, „KünstlerInnen”[7] (Hermann, Straeck 2019). Nur findet sich in dem gesamten Bildband keine (!) einzige (!) Malerin, Akteurin, Writerin oder Old Schoolerin. Die aufwendig recherchierte und reich bebilderte Graffiti-Geschichte Berlins präsentiert in den Bildern, den Texten und im Zeitstrahl ausschließlich männliche Maler, männliche Bomber, männliche Old Schooler und Männer-Crews. Blickt eine hypermaskuline Monokultur auf ihre vierzigjährige Geschichte zurück, kommen Frauen, inter und trans Personen nicht nur am Rande vor, sie kommen gar nicht vor. Aber hey, wir sind woke und gendern natürlich unsere Sprache. Ihr seid alle mitgemeint, ist doch klar.

5 Wiederholung, Misogynie, Abwehr und Unreife

Ebenfalls bei Hitzerot erschien vor kurzem ein Bildband mit einer Auswahl an Trains, Wänden und Skizzen des Berliner Malers Roger unter dem Titel Never be late (Roger, 2020). Mein erster Gedanke beim Durchblättern: Wimmelbuch. Mein zweiter: Buchstaben-Baukasten. Dritter und vierter Gedanke: Malbuch und Poesiealbum. Und schließlich unweigerlich: Kinderbuch. Nach schneller Durchsicht stelle ich fest, dass meine damalige Faszination für Styles und Graffiti auch nach zehn Jahren nicht wieder aufflammen will. Ich erinnere mich an die Hauptthese aus einem meiner Vorträge, in dem ich Graffiti als rudimentäre Gefühlssprache und emotionale Detonation untersuche (vgl. May, 2015). Lassen sich die bestimmenden Spezifika männlich dominierter Jugendkulturen als Versuch lesen, mittels verschiedener Toolkits und performativer Aktionen eine ausdifferenzierte Gefühlssprache zu entwickeln? Speist sich das enorme Engagement, die Begeisterung und Disziplin dieser Bewegungen aus dem drängenden Begehren, die sehr begrenzte Kinder- und Jugendsprache hinter sich zu lassen? Und wieso tun sich viele junge Männer damit so schwer? Nun bin ich kein Linguist, Sozialpädagoge oder Entwicklungspsychologe, aber die Tragik der Wiederholung des Immergleichen blättert sich in Never be late sprichwörtlich vor mir auf. Der Mann hinter Roger ist immerhin schon seit Mitte der Neunziger aktiv und dürfte bereits auf die fünfzig zugehen. Das zweite Strukturprinzip neben der Wiederholung ist, wie bereits erwähnt, die Misogynie. Ein drittes die strukturelle Abwehr gegen das System, den Normcore, die Polizei; gegen alles Fremde, die Anderen, die imaginären Feinde usw. Wobei mir imaginär ein willkommenes Stichwort ist, um das vierte Merkmal zu fassen: Konservierte Kindlichkeit. Oder genauer: Emotionale Sprachlosigkeit und Unreife.

Dazu muss man wissen: Die Faszination und Leidenschaft von Graffiti-Malern gilt vor allem dem Stil der Buchstaben ihrer geheimen Pseudonyme. Der Abwehrdiskurs läuft hier vor allem über Graffiti als Geheim- und Agentensprache. Doch wie lassen sich Graffiti-Styles als verschlüsselte Codierung und visueller Bro-Code für Crew-Feelings auslesen, wenn die Maler die Bildebene nur selten verlassen? Gar nicht. Anders lässt sich meine Unterforderung beim Anblick von gefühlt zwanzigtausend Roger-Styles nicht erklären. Mir gefällt, was ich sehe, ich werde nostalgisch und schwelge in Erinnerungen. Doch die Ausdrucksmöglichkeiten eines auf Typographie und Style reduzierten ABC-Baukastens bleiben letztlich erheblich begrenzt. Ich erkenne an, dass Mann es innerhalb des Struktur-Games Graffiti zu einer gewissen Meisterschaft bringen kann. Die von der „Szene” hoch gepriesene inhaltliche Leere von Bomben, Throw Ups, Tags, Pieces und Wholecars aber spricht trotz allem keine Bände, sondern wirkt als Bild- und Echokammer für unbenannte Projektionen, Wünsche und Gefühle. Quasi Höhlengleichnis für Männerphantasien.

The Death Of Graffiti (TDOG) by Jo Preußler und COGITATIO FACTUM (Hrsg.) | Possible Books, Menetekel
Mit Beiträgen von David Alexander, Tobias Barenthin Lindblad, Thomas Bratzke, BROM, CLINT 176, Paul Vector Codierer, Christian Driesen, Paul Luis Fechter, Lukas Fuchsgruber, Allan Gretzki, Frank Hartmann, HIDDEN INDEXES, Ilaria Hoppe, ID33, Dmitry Ilko, Matze Jung, Jule Köhler, Bianca Ludewig, Markus Mai, Christoph May, Peter Michalski, Tobias Morawski, Joachim Penzel, Sandra Rummler, SADE, Willi Schmudde, Paul Schweizer, Jenz Steiner, Josef Streichholz, Barbara Uduwerella, Eric Winkler & Georg Zolchow.

Eine gelungene Ausnahme bildet die Anthologie The Death of Graffiti (Menetekel 2017), deren Autor:innen die kulturelle Armut der Graffiti-Szene genau in den Blick nehmen. Sie stellen den Todesschein nur deshalb nicht aus, weil sie ihr halbes Leben darin verbracht und den Männer-Crews einiges zu verdanken haben. Die strukturelle und soziale Prägung verhindert letztlich den endgültigen Bruch. Zum einen ist es ein wortreiches, kluges Buch über die quälende Unterforderung und Enttäuschung von Intellektuell:en und Künstler:innen, denen ihre einstige Faszination und Begeisterung für die szene-interne Zeichen- und Ritualsprache verloren ging. Zum anderen aber auch eine Verteidigungs- und Rechtfertigungsschrift, um den langen Abschied weiter hinauszuschieben. Vielen ist noch nicht klar, was danach kommen soll, nach dem Männerbund. So manch eine:r verabschiedet sich bis heute.

6 Mainstream als Synonym für Männermonotonie

Bevor ich auf die Genre-Symbiose Graffitirap[8] zu sprechen komme, will ich der Vollständigkeit halber noch kurz auf den Männeranteil in den beiden übrigen HipHop-Dimensionen DJing und Breakdance eingehen. Ist Breakdance endgültig weg von der Tanzfläche? Ich sehe kurz nach, nein, nicht ganz, Battle-Of-The-Year[9] läuft noch. Heute wie damals extrem männlich dominiert. Und Djing? Singularisiert im Techno, Electro, House, EDM usw. Ebenfalls massiv männlich. Wie Graffiti zählen Djing und Breakdance zu den stillen, sprich wortlosen HipHop-Bewegungen: Das Training von Body-Skills nach dem Spiel- und Baukastenprinzip steht im Vordergrund, nicht die Auflösung sprachlichen Unvermögens. Begleitende Magazine, Texte und Videos reproduzieren und manifestieren, so mein Eindruck, den jeweiligen Ideo-, Sozio-, Technolekt. Wie es scheint, wird jedwede Chance zur Entwicklung einer ausdifferenzierten Gefühlssprache in männlichen Monokulturen im Keim erstickt. Fassen wir zusammen: Die ursprünglich von BPoC geprägten vier Dimensionen des HipHop wurden allesamt vom weißen, männlichen Mainstream überrannt, vereinnahmt, kapitalisiert und zum Schweigen gebracht. Kann man überall nachlesen.

7 Close Reading Graffitirap

Die deutschsprachigen Graffitirap-Lyrics sind überschaubar (siehe die Tracklist unten) und bilden kein eigenes Genre. Ich habe vier Songs von 2003 (Beatfabrik), 2013 (DVO, Damagers), 2014 (Kontra K, Berlin Kidz) und 2020 (DJ Reckless & MC Bomber) für ein Close Reading ausgewählt, um die Rapper jeweils im Real Talk sprichwörtlich beim Wort zu nehmen. Ich analysiere die Metaphorik und Spezifika des Graffiti-Soziolekts jeweils exakt von Vers zu Vers, also eins zu eins, und lasse mich von den Worten und Metaphern zu analogischen, oft unbewiesenen Thesen hinreißen. Meine persönliche, etwa 15-jährige Erfahrung mit der Szene von 1996 bis 2011 spielt bei diesem Rap-Ritt eine entscheidende Rolle. Zugleich möchte ich mich auch ein wenig lustig machen, über die Inhalte wie über die Männlichkeit, die hier inszeniert wird. Humor scheint mir ein hervorragendes Mittel zu sein, diesen Texten neu zu begegnen (#männlichkeitkaputtlachen). Zugleich aber möchte ich auch meine tiefe Abneigung gegenüber vielem, was hier gesagt wird, zum Ausdruck bringen, und die Schilderungen von Misogynie und Gewalt, die ich als Fanboy damals unkritisch mitgerappt habe, unmissverständlich benennen und verurteilen.

7.1 Nie Genug[10] von Beatfabrik (2003): Date-Raping in der Graffiti-Monarchie

In der Nacht kommts wie Wölfe / ich mal heut schon mein zwölftes / mein Rap fährt zum Bahnhof / meine Wholecars sind zahllos / ich spaziere auf Schienen / ich sprüh mein eigenens Magazin / mit der Aufschrift Berlin, denn wir planen wie Marines / wir ziehns durch / kein Stopp / gib ein Cap / auch wenns dropt / mit viel Furcht zu bekämpfen / musste durch und beenden / halbe Stunde euer Limit? / doch wer suchet / der findet / wir übertreiben halt gern / Stunde ruff / harter Kern / mmh, die gelben und die roten / doch am liebsten die mit Nieten / so was schönes wie das könnt ihr uns doch nicht verbieten / du musst es halt lieben / um zu wissen / dass wir siegen / jedes Photo ein Triumph / Voraussetzung bunt / das ist für Nachtjäger / morgens Train / Tagschläfer / […] / ich seh mein Name an der Wand / und? / die Farbe hat gebrannt / ich merke, wie das Cap dript / doch bloss keine Hektik / ich mach es halt mehr eckig / denn burnen tut es letztlich / gegen uns deckt nix / als wie Hippie / Graffiti

Das Männer- und Wolfsrudel traut sich nur nachts heraus. Graffiti als Vollzeitjob. Ohne Unterbrechung werden 24/7 Styles produziert. Das Rudel folgt leichtfüßig den Schienen, organisiert sich aber schwer militärisch. Der eigenen Angst (“Furcht”) vor dem erwischt werden begegnet die Horde – um im Wild-Bild zu bleiben – nicht durch Rückzug, sondern mit Kampfbereitschaft und erhöhtem Risiko. Die Rotte suhlt sich länger im Yard als andere Crews. Eine Alibi-Erzählung, die oft bemüht wird, wenn es an grafischen und technischen Skills mangelt. S- und U-Bahnen werden fürderhin als Sex- und Fetisch-Objekte begehrt. Dazu gleich mehr.

Zum Gewinner im Graffiti-Game sind letztlich nur jene bestimmt, die sich der Sache voll und ganz hingeben oder, thematisch passender: verschreiben (“du musst es halt lieben / um zu wissen / dass wir siegen”). Um Tag- und Farbfotos ihrer fahrenden Pieces zu bekommen, müssen Writer warten, bis der Betrieb anläuft und die Züge wieder in den Verkehr eingespeist werden (“morgens Train / Tagschläfer”), weshalb sich ihr Biorhythmus umkehrt, was schließlich dazu führen kann, dass Maler sich komplett aus dem Takt der Gesellschaft herausnehmen. Styles, Tags und Farben brennen sich in die Wand, Silberchrom konnte 2003 nicht ohne weiteres von anderen Farben übermalt werden, und Graffiti ist so alt wie die Flower-Power-Bewegung, das kommt in etwa hin. Wenngleich die deutsche Graffiti-Szene zwanzig Jahre jünger ist, ein Kind der Achtziger. Weiter mit dem Chorus:

Äh / es wächst in jeder Nacht / Zug für Zug / es ist viel zu real / aber nie genug / Beatfabrikbunte Brecher / verchromte Wände und Dächer / wir werden besser und besser / Psst / Berlin schwingt sein Zepter […]

Graffiti als Nachtschattengewächs, das sich durch die Yards wuchert und über die Oberflächen der Stadt. Es erfordert Ausdauer und Schnelligkeit, aber auch Wachsamkeit und Fokus. Wenn adoleszente Jungs und Twenteens Kontakt zu ihrem Körper aufnehmen, während sie ihre physischen Grenzen ausloten, fühlt sich eine Aktion schnell unfassbar erfüllend und sinnstiftend an (Stichwort Bewegung). Styles und Aktionen erfordern oft so viel Engagement und Einsatz, dass die Show-Realität, die sie erzeugen, physisch als überwirklich wahrgenommen wird. Als überbordende Wirklichkeitsfülle (“viel zu real”), die eine normative Gesellschaft nicht zu bieten hat. Die endgültige Symbiose von urbanem Turnen (Parcour), Pichação[11] und Graffiti gelingt den Berlin Kidz erst elf Jahre später. Zu sehen im Video zu Adrenalin von Kontra K 2014. Oder in dieser Doku auf Arte Tracks:

Letztlich wirkt auch im Graffiti das spätmoderne Singularisierungsimperativ nach Reckwitz: Einzigartigkeit im Style, phänomenale Aktionen und außergewöhnliche urbane Erzählungen, Perspektiven und Techniken treiben das Perfektions- und Leistungs-Game voran (“wir werden besser und besser”). Im Verborgenen der städtischen Infrastruktur trainiert und perfektioniert der Maler genau jene Skills, die eine singularisierte Medienmoderne später von ihm erwartet. Wer Graffiti-Magazine herausbringt, wird Journalist oder Verleger. Wer sich auf Raum und Spiel versteht, wird als Künstler oder Lehrer aktiv bleiben. Wer die Szene dokumentiert und fotografiert, geht in die Videoproduktion, die Männerforschung, wird Journalist oder programmiert Content Management Systeme. Wem die Styles leicht von der Hand gehen, wird sehr wahrscheinlich Grafiker oder Designer. Wer die Gruppe zusammenhält, Community Manager oder Social Media Profi usw.

Männlich dominierte Jugendkulturen wie Graffiti, Breakdance, Hip-Hop und Turntablism entstehen genau an dieser Schwelle des Strukturwandels in den siebziger Jahren von der allgemeinen Moderne hin zur Creative Economy der singularisierten Spätmoderne. Reckwitz dazu: “Es handelt sich also im Kern um Sichtbarkeits-, Valorisierungs- und Affizierungsmärkte. Sie forcieren eine grundlegende und genuine Kulturökonomisierung des Sozialen” (Reckwitz 2017, Seite 107). Er spricht auch von “Jugendkulturkapitalismus”, dessen “creative industries […] zu etablierten Wirtschaftszweigen geworden sind, die sich auf globale Produktionsnetzwerke stützen” (Ebd. S. 115 f.). Während das Königreich Berlin seinen phallozentrischen Fernsehturm auspackt und rumwirbelt (“Berlin schwingt sein Zepter”), um die imaginierten Untertanen der Graffitimonarchie (Show Realität) auf Linie zu bringen. Zweiter Vers:

Mein Magazin geladen / mit explosiven Farben / […] /  ich schmeiß mein Piece / auf S-Bahn-Wagen / Graffiti die Armada / die nachts aus meinen Händen schwitzt / das Chrome aus Beltons Becher / ist die Liebe / […] / Rap kennt keine Rücksicht / und meine Kunst ist flüchtig / meine Beltons können sprechen / und das Cap sagt immer / Drück mich! / […] / für mich ist Aerosol kein Gas / sondern Eau de Toilette / äh / ich muss weg / meine Dame fährt Tag für Tag / in den Yard / ich besuch sie gut getarnt / mit dem Farbapparat / unser Rendezvous / meine Crew ist down / wir haben alle auf Video / zum zu Hause anschaun / ich meine / Pieces sind wie Frauen / nur völlig ohne Zicken / ich geh jetzt zu meiner Braut / das heißt / die S-Bahn rippen

Graffiti als Waffe, Cans (Sprühdosen) als Patronen und der Style als geworfene Handgranate, um die S-Bahn symbolisch in die Luft zu sprengen. Styles kommen als schweißtreibende Kriegsflotte zum Einsatz (“die Armada / die nachts aus meinen Händen schwitzt”), Silberchrom als Lieblingsfarbe. Gerappte Texte und gesprühte Styles werden als ephemere Ausdrucksformen geschätzt, deren gemeinsames Element Luft ist, die nach Lack riecht. S-Bahnen sind weiblich konnotiert. Wenn sie nachts abgestellt werden, bekommen sie unfreiwillig Besuch. Der Sprüher hat sich selbst und seine Crew zu einem Date eingeladen, das Begehren bleibt einseitig. Liest sich wie Date Raping. Styles werden ebenfalls weiblich konnotiert, als passive Frauen, die sich nicht wehren und nicht nerven. Weshalb die S-Bahn sofort geheiratet wird und dann aufgerissen bzw. -geschlitzt (the ripper). Videoaufnahmen der Aktion erinnern in dem Kontext an Wedding-, Sex- oder Pornotapes. Sie dienen als Fetisch-Trophäen, Beweismaterial und Distributionsmedien.

Dieses Thema allgemeiner Art / spricht euch alle an / ihr wollts nicht sehn / und nicht haben / doch es steht auf deiner Wand / es drückt mich aus / aggressiv / Egalität für sein Denken / Leude fragen nach warum / waren, sind und bleiben dumm / es macht Spass / du musst es leben / aber machen / und nicht reden / wir bewegen Alpha zu dem bet / bis es lebt / wie die Führung mit der Krone / Kick / Speed / Comodore / Thema was ich selber mache: / seie eins mit der Dose

Graffiti versus ablehnende Gesellschaft, dieser Diskurs wurde 2003 noch kontroverser geführt als heute. Es gab Anti-Graffiti-Vereine und Graffiti-Sokos. Heute haben sich Jäger und Gejagte professionalisiert, beide Seiten haben sich angepasst, die Jagd-Rituale verfeinert, und vor allem endgültig das Interesse aneinander verloren. Zudem haben sich die medialen und anonymen Machtverhältnisse zugunsten der Sprüher verschoben (Berlin Kids, OneUp Crew, Moses & Taps™ uvm.). Obendrein ist das Mural[12]-Business vielen Hauseigentümer:innen, Immobiliengesellschaften und Kiezaufwerter:innen sehr willkommen.

Sprüher beklagen sich seit jeher über die Ignoranz der Gesellschaft und über deren fundamentalen Eigentumsbegriff, das läuft bis heute stabil. Ein Abwehrdiskurs, an dessen Lösung niemand ein Interesse hat, weil es die strukturelle Auflösung der jeweiligen Monokultur zur Folge hätte: “Männerladen”[13] Polizei versus Männerladen Graffiti[14]. Aggressionsbewältigung (“es drückt mich aus / aggressiv”) und der Anspruch, dein Leben für Graffiti zu geben, bedeutet Aktion (“machen”), aber nicht Reflexion (“und nicht reden”). Weshalb Rap und Graffiti trotz ihrer Wortgewalt als Kulturformen der emotionalen Sprachlosigkeit untersucht werden sollten, dazu später mehr. Das Singularisierungsparadigma der ersten Stunde lautet, die Buchstaben des Alphabets im Style auf einzigartige und hochindividuelle Weise zum Leben zu erwecken. Mit der Dose verschmelzen, die Identität der Dose übernehmen, selbst zur Dose werden.

7.2 Damagers von DVO (2013): Graffiti als emotionale Detonation massiver Männlichkeit

Die folgenden beiden Raps von 2013 und 2014 repräsentieren zwei entgegengesetzte Bewegungen: rechte Hater versus linke Awareness. Zerstören, frustrieren, bedrohen, deutschnational, gewaltgeil und starr versus progressiv, diskursfreudig, ideenreich, findig, lustig, international und hochaktiv. Zunächst das hypermaskuline Gebrüll der Zerstörer. Die stiernackigen Damagers und ihr Pitbull-Rapper DVO:

Rücken Damagers aus / werden ganze Yards weggebombt / zieh besser den Kopf ein und lauf / jetzt hat der Wahnsinn begonnen / unser Status benommen / weil sie in Fahrt sind und kommen / denn die Motherfucker hier sind aus Stahl und Beton / Totenmaske aufgesetzt / und ab in den Schacht / skrupellose Berliner beginnen die Schlacht in der Nacht / spühr die Kraft und die Macht / wenn die Büchse richtig feuert / dieser Lifestyle rollt jeden Tag in euer Leben / Züge sind uns treu ergeben / sie halten den Arsch hin / und werden platt gemacht, wie ein Spast mit ‘nem Glaskinn / Schlachthaus / Blutrot / kommen wo die Wut tobt / rette sich wer kann und dann steh stramm, wenn dir diese Flut droht / keiner der den Mut lobt / aber das ist Latte / denn die Straßenköter dieser Stadt belächeln die Ratten / ihr hört ein Hecheln im Schatten / und seid gleich am Botten / denn ihr wisst / ihr könnt diesen wilden Lifestyle nicht stoppen

Die Kaputtmacher, Zerstörer, Beschädiger sprengen sich durch Berliner Zug-Depots, Abstellhallen und Gleisanlagen. Großflächige, schnelle Chrom-Styles[15] mit zumeist schwarzen Outlines[16] werden szene-intern als Bomben bezeichnet. Die Männerrunde wird als bedrohlich beschrieben, zu allem bereit, ihr legt euch besser nicht mit ihnen an. Leere Drohungen, sediert (“benommen”) und wahnhaft zugleich. Die frauen- und mütterhassenden (“Motherfucker”) Körperpanzer (Theweleit) der über vierzig Jahre alten Männer bestehen aus Stahlbeton. Das Stählerne, Chromfarbene findet sich auch im Glanz des versilberten Totenschädels mit der Königskrone wieder (2:32min).[17] Hier wie bei Beatfabrik (“Berlin schwingt sein Zepter”) der Anspruch auf einen Königsthron, die Sehnsucht nach Monarchie und Alleinherrschaft.

Jungs- und Männerfantasie: Körperpanzer Thomas, die kleine Lokomotive

Als lebende Tote (= emotional tot = Zombies) tragen sie ihre Totenmasken nicht post sondern ante mortem. “Skrupellos”, also gewissenlos und bösartig, führen sie des nachts einen Krieg ohne lebendigen Gegner, eine “Schlacht” ohne Feind. Denn das Feindbild wird auf wehrlose Züge projiziert und fetischisiert. S- und U-Bahnen sind wie bei Beatfabrik weiblich konnotiert – die heteronormativen, homophoben Texte schließen andere Geschlechterprojektionen aus – und werden als “treu” (Beatfabrik: “ohne Zicken”, “Braut”), passiv und devot (“sie halten den Arsch hin”) wahrgenommen. Statt aufgeschlitzt und aufgerissen (“rippen”) müssen die Waggons “platt gemacht”, also symbolisch vergewaltigt und k.o. geschlagen werden (Landnahme über den Frauenkörper: Buch der Königstöchter, Theweleit 2013). Genauso wie Männer mit “spast”ischen Lähmungen und “Glaskinn” (doppelte Erniedrigung von Männlichkeit als behindert und zerbrechlich).

The Rise of Männerbund & Sexism: Der einzige (!) weiblich gelesene Charakter auf dem gesamten Poster bekommt kein Gesicht, aber nackte Brüste, blonde, wallende Haare und ein Samurai-Schwert. Die einzige Frau unter den „Respect 2“ ist keine Writer:in, sondern Fotografin. By Arte, Ilovegraffiti, Ghetto Fever and Red Tower Films
Von Beginn an als weiblich abgewehrt: „STREET-ART IST SCHWACH !!!“ SPAIR, Berlin 2005

Graffiti-Styles, -Pseudonyme und -Buchstaben können hier deshalb als extrakorporale Ejakulation (Cum Shot) gelesen werden. Sobald alle weiblichen Zugkörper symbolisch befleckt, geschändet und geschlachtet wurden, gleicht das Yard einem blutgetränktem “Schlachthaus”, in dem sich die Männer im Blutrausch solange austoben, bis die Blut”flut” ihre Fragmentkörper und Körperpanzer zu überschwemmen droht (zur nationalsozialistischen Metaphorik siehe Männerphantasien von Klaus Theweleit 1977, 1978), was sich nur verhindern lässt, in dem die “Untergrundsoldaten” eben “stramm” stehen. Statt des mit Farben geladenen Dosen-Magazins (Beatfabrik) wird die Dose hier als “Büchse” (Jagdgewehr mit gezogenem Lauf) abgefeuert. Graffiti-Styles künden von einem pseudo-extremen “Lifestyle”, dem sich die Graffiti-Gangster verschrieben haben. Chorus:

Damagers, Damagers / Warten nicht ab / Damagers, Damagers / schaden der Stadt / Damagers, Damagers / zeigen was abgeht / D-R-S / beweisen: die Stadt lebt

Leben bedeutet zerstören. Eine lebenswerte, lebendige Stadt ist eine zerstörte Stadt. DamageRS (DRS) können es kaum erwarten, in Berlin enormen Schaden anzurichten.

Erst aufbauen, dann zerstören: City of Names auf der Backjumps – The Live Issue #2 vor dem Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg 2005.

Im weißen Hummer vorgefahren / fast bis direkt vor die Bahn / rein in den Tunnel / es ist dunkel und doch voll Elan / werden Dosen ausgepackt / Farben knallen auf den Lack / Ultra-Wide, Dicka / Knaben werden ausgelacht / das hier ist die Männerliga / kannst du nicht mit dunklen Gestalten mithalten / dann halte lieber / und renn‘ mal wieder / Tarnfarben-Rap trifft Tarnfarben-Bombings / wer an diese Bilder tretet / dann werden diese Bilder Frontkicks / hoff ich / dass dich keinen Schock trifft / wenn die Züge einfahren / doch dann siehst du / dass es sie ja doch gibt / Untergrundsoldat, die im Untergrund dauf warten / richtig mies abzugehen / loszulegen und zu starten / Feuersturm / D-R-S / Ham / Akor / wenn man an die Züge steppt / dann Hardcore / Wholecar / Wholetrain / jap, jetzt kannst du zusehen / wie verrückte Banden zusammen an einen Zug gehen

Ein Hummer ist ein amerikanischer Geländewagen. In urbanen Umgebungen sind SUVs weitgehend nutzlos und dienen einzig der hypermaskulinen Statusmeldung und Selbstbestärkung. Erwachsene Männer bilden eine Sport- und Wettkampfklasse (“Liga”) aus finsteren Schatten, die Jungs und jüngere Männer ausschließt, nicht ernst nimmt und verlacht. Mit den Tarnfarben kommt das soldatische Moment ins Spiel. Soldaten, die abtauchen, in den “Untergrund” gezwungen. Von der Gesellschaft verkannt, kriegsbereit, gewaltbereit, gerüstet zum Sturm auf die Stadt. Wholecars[18] und Wholetrains[19] bezeugen Größenwahn und Machtanspruch (Stichwort: Königreich), der von den Damagers – am Output anderer Crews gemessen – bis heute nicht eingelöst wurde. Am Zug verdichtet sich der Männerbund zur Männer”bande”.

Der Totenkopf mit der Krone / wird im Block zur Ikone / dass die Jungs hier nicht mehr sprühen / kommt nicht in Mode / es wird gebombt und zwar ohne mit der Wimper zu zucken / an legalen Wänden kannst du den kleinen Kindern zugucken / der Nachwuchs steht / die Nachhut bebt / denn ein echter Sprüher springt an die U-Bahn und lebt / Damagers, Damagers / bedeutet: da vorn / durch den Körper fließen hunderttausend Volt voller Zorn / stolz und enorm / fit und in Form / diese Jungs neben mir sind für Graffiti geboren / so wie ich für’s Rappen / wir können ohne nicht mehr essen / keiner, den ich kenne, kommt drauf / seine Droge zu vergessen / verloren und besessen / es ist gut wie es ist / wir ließen Geld, Schweiß, Tränen und Blut für den Mist / willkommen in Berlin / wir brennen wie Tonnen voll Benzin / und den Leuten denen das nicht passt / sollen nicht erziehen

Tote Köpfe und tote Könige (“Krone”) geistern durch Friedenau (DVO trägt im Video die alte Postleitzahl 41 auf seinem Hoodie), einem der flächenmäßig kleinsten, aber am dichtesten besiedelten Ortsteile Berlins (17.185 Einwohner pro km²). Ältere Rapper sind immer ein wenig zu stolz auf ihre Herkunft und verteidigen ihre Hood, ihren Kiez, ihre Stadt oft aus einer Kindheits- und Jugendnostalgie heraus, die sie nur selten überwinden. Die mediale Bekanntheit übersteigt den tatsächlichen Einfluss vor Ort um ein Vielfaches und geht über Old-Bro-Networks und Clanstrukturen nicht hinaus. Soweit ich sehe, gibt es unter Rappern bis heute keinerlei positives und produktives Engagement für Community, Gemeinde und soziales Umfeld.

Graff Map of Ringbahn-Kiez 2008 by Überdose

Zurück zum Text. Die Wahl zwischen illegalem Trainbombing und legalem Hallmalen (Halls sind legalisierte, freigegebene Flächen) gilt gleich nach den gängigen Style-Diskursen als wesentliches Distinktionsbedürfnis in Bezug auf Männlichkeit. Einzig auf verbotenem Bahngelände gelingt es den Sprühern, ihren Körperpanzer derart unter Hochspannung zu setzen (“hunderttausend Volt voller Zorn”), dass sie sich lebendig, erlöst und ausgeglichen fühlen. Was erneut auf hinreichend Bewegung zurückzuführen ist. Yards[20] sind ja nichts anderes als hypermaskuline, urbane Fitness- und Sportstudios unter freiem Himmel. Hindernislauf und Versteckspiel (vor Vater Staat) in einem. Das Strafmaß kalkulierbar gering.

Die belanglose Höhe des Strafmaßes führt die hypermaskuline Military-Show geradezu ad absurdum. Abermals wird Graffiti als Sucht (“Droge”) thematisiert. Die fortwährend zelebrierte Abhängigkeit verfolgt den Zweck, die Männerrunde ein Leben lang auf Graffiti einzuschwören, damit ja keiner auf die Idee kommt, auszusteigen. Der soziale, physische und mentale Druck (“können ohne nicht mehr essen”) ist enorm und bringt erwachsene Männer dazu, sich jahrzehntelang als Mob zu inszenieren. Wie es sich anfühlt, von Kindesbeinen an in einer männlichen Monokultur gefangen zu sein? “Verloren und Besessen”. Wie ließe sich anders rechtfertigen, für “Mist” soviel “Geld, Schweiß, Tränen und Blut” zu lassen, wenn nicht durch die destruktiven Zentripetalkräfte einer Männergesellschaft, deren Inmates gemeinsam auf die 50 zugehen und sich selbst als brennende Benzintonnen wahrnehmen?

7.3 Adrenalin von Kontra K: Lebensbejahender Pichação-Parcour von linksalternativen Trainsurfern und Lockpickern

Im Jahr darauf erscheint “Adrenalin” von Kontra K, eine KollaBROration mit den Graffitisprühern, Trainsurfern und Parkourläufern der Berlin Kidz. Deren enormer Style-Output prägte unübersehbar die Wände Berlins von 2010 bis 2020. Da sie aus einem relativ selbstkritischen und linksalternativen Umfeld stammen, reproduziert die Crew weder Frauenhass noch Vergewaltigungs- oder Todesphantasien. Während die international aktive OneUp Crew aus Berlin Kreuzberg ihren Kurator Good Guy Boris (Grifters Code) dafür feiert, dass er einer Freundin auf die Pobacken taggt und mit “Possible Rape”[21] kommentiert, gelten die Berlin Kidz als Crew, die zumindest nicht offen misogyn ist. Der Rapper Kontra K zitiert im Chorus sogar Pippi Långstrump. Ähnlich wie bei der Graffiti-Crew OneUp bleibt der Männerbund zwar bestehen, dennoch nehmen in beiden Crews gelegentlich auch Frauen an den Aktionen teil. Beide Crews inszenieren sich als extrem land- und raumnehmend. Die Berlin Kidz erobern Berlin, OneUp die Welt. Die Kidz gehen dabei deutlich positiver, verspielter, technisch versierter und kreativer vor als die negativistischen Damagers:

Verbiet‘ uns den Mund, aber Farben können reden / Der tote Beton bekommt neues Leben / Großstadt Guerilla, wir brechen die Regeln / Die Nacht tiefschwarz, doch wir sehen noch im Nebel / Blaulicht ist Gift, passt auf vor Sirenen / Doch jedes neue Bild verschönert den Käfig / Auch wenn wir ein ganzes Leben leise waren / Siehst du die Tags an der Wand und sie schreien dich an verdammt / Ich schreib meinen Namen in die Luft / Das System ist schon lange kaputt / Politik nur ein wandelnder ah / Mit Namen in Farben ist noch lange nicht Schluss / Also geh‘ und friss mal deinen Frust / Alles in chrom-schwarz matt, hochglanz-Lack / Fatcap-Tags für die Nachbarschaft / One Liner, Lackmarker, Mattschwarzer Overkiller / Mocha, Propz an die Allstars

Denn euer Grau machen wir zu bunt / Die Drips an der Wand, die Tinte im Blut / Adrenalin, wir waren schon hier / Ich surfe dein‘ Zug, also was willst du tun? / Denn euer Grau machen wir zu bunt / Die Drips an der Wand, Graffiti ist Kunst / Adrenalin, wir waren schon hier / Die Stadt wird zur Leinwand in einem Zug / So mal ich mir die Welt / Wie-wie-wie sie mir gefällt

Wir reden in Farben, ’ne andere Sprache / Markieren das Revier, um zu zeigen, dass wir da sind / Raus aus der Matrix, dann rein in den Wahnsinn / Rauf auf den Zug, sie atmen den Fahrtwind / Geben einen Fick auf eure Stasi, quasi / Holen sich lieber drei mal drei chrom-schwarz und machen ’ne Party / Scheiß mal auf Gangster, sie lauern wie Soldaten / Im Gebüsch und warten den Moment ab / Rein in das Yard, durch ein offenes Fenster / Wholecar, Foto, Sammler, Nächster / Rein in End-To-End oder Seil an der Hauswand / Viel zu lange still, doch ihr spürt noch den Aufstand

Alles nur noch Standard, die Welt in schwarz-weiß / Der Blick bis zum Tellerrand, die Ansicht immer gleich / Der Kopf immer nach unten, weil der Boden nie erreicht / Wir springen so hoch wir können und der Himmel ist nicht weit / Sklaven der Zeit, Druck, Geldnot / Immer nur Hektik, Hektik und dann wieder schnell los / Doch was bleibt von dir außer ’nem Konto mit paar Cents

Hier also ebenfalls genau dieselben Themen wie bei Beatfabrik (2003) und DVO (2013): die Gesellschaft als “Käfig”, emotionale Sprachlosigkeit (“ein ganzes Leben leise”), Reviermarkierung. Die Szene-Kings agieren weiter im Untergrund, ihre Organisationsform nicht militärisch, sondern paramilitärisch (“Großstadt Guerilla”).

7.4 Chrom, Schwarz, Fatcap[22] von DJ Reckless & MC Bomber: Vom Ende der Kunstfigur im Kunsthochschul-Rap 

Kommen wir zum vierten und letzten Graffitirap vom März 2020, also 17 Jahre nach Nie genug, sieben Jahre nach Damagers und sechs nach Adrenalin. In Chrom, Schwarz, Fatcap feiern sich DJ Reckless & MC Bomber für ihren extremen Frauenhass, Späti-Alkoholismus und Gewaltphantasien:

Chrom: meine Lieblingsfarbe / Schwarz: wie die Nacht / Fatcap: aufgesetzt / jetzt wird alles vollgetagt / Chrom: herrlich bunt / Schwarz: jawoll / Fatcap / wir vernebeln den Wagon

Chrom, Schwarz, Fatcap / vernebeln den Wagon / ich tret die Scheiben raus / dann ist Ruhe im Karton / Chrom, Schwarz, Fatcap / vernebeln den Verstand / ich sprüh alles voll / Deutschland ist ein freies Land

Die Sprühlackmischung aus verschiedenen Lösungsmitteln, Acrylharzen, aromatischen Kohlenwasserstoffen, aliphatischen Ketonen und Treibgasen geht direkt ans Graffiti-Hirn von MC Bomber. Oft lieben und beschwören Graffiti-Maler den Lack in der Luft, genießen das schnelle Intoxikations-High (“vernebeln den Verstand”). Schon für Beatfabrik war “Aerosol kein Gas / sondern Eau de Toilette”, der Damagers-”Status benommen”, die Berlin Kidz mit “Tinte im Blut”, intravenös injiziert. Die wenigen Graffiti-Styles von MC Bomber in Berlins hypergentrifiziertem Stadtteil Prenzlauer Berg genauso trunken, vernebelt, hypermaskulin und chaotisch (“ich sprüh alles voll”) wie seine Lyrics und Videos.

Chrom und Hitzerot / wir bomben nur mit Fatcap / hab ich Bock auf bunte Farben / nehm ich lieber Acid / meine Homies von der TCK / malen die besten Halls der Welt / aber ich bleib lieber primitiver Schmierer / und verteile Schellen / TBR, Sechsundvierzigers, TLS-Zerstörers / Berlin Flavour, Evergreens / immer geil wie Döner / du Schwuler sitzt zuhause und glotzt Fußball / is ja super / nichts gegen Schwuletten, aber ich bomb lieber U-Bahn

Niemand hat jemals eine gebombte, also besprühte U-Bahn von MC Bomber fahren sehen. “Primitiver Schmierer” hingegen die Hauptrolle seines Lebens. Die Ironie seiner homofreundlichen Homofeindlichkeit geht nicht über Abwehr und Abwertung hinaus, weshalb sie seit 2016 nicht mehr glaubwürdig ist. Max Grambow steht dem Homo[23]- und Frauenhass[24] von MC Bomber in nichts nach. Entscheidend ist nicht, was die Kunstfigur darf oder nicht darf. Das einzige, was zählt, ist die Stimme der Betroffenen, die hier ununterbrochen bedroht, erniedrigt, gedemütigt und entmenschlicht werden (Victim Blaming).

Jeder meiner Homies hält vorm Richter seine Schnauze / es sind tausend Jahre Stahlgewitter / Bomben ohne Pause / alles Anarchisten / das Gewissen rein wie Mönche / […] / Möschen und Bömbchen / die DB-Sicherheit macht nen Sheriff im Abteil / Scheiß egal / bewirf den Dennis mit nem Stein / zur falschen Zeit am falschen Ort / tut uns leid, Herr Kommissar / Ja, je suis Bomber / Ciao ihr Trottel, on y va

Auf die männerbündische Verschwiegenheit können Grambows “Homies” auch dann zählen, wenn doch mal einer von ihnen vor Gericht erscheinen muss. Die Männer-Crew steht über dem Gesetz. Ununterbrochenes Train-Bombing hier in der Analogie zum tausendjährigen Reich, Jüngers In Stahlgewittern (Jünger 1920) und eben zu endlosem Bombenhagel. Millenarismus, Militarismus und Nationalsozialismus werden mit Anarchismus, Asketismus (“rein wie Mönche”) und Sexismus (“Möschen”) vermengt.

Chrom und Schwarz / und Fatcap-Tags / 1A-Spitzenklasse wie Lesbensex / Langeweile, lange Nächte / und nix zu tun / darum schmieren wir alles voll / für ein bisschen Ruhm

Show-Realität: Bekanntheit und Fame haben sich endgültig vom realen Werk entkoppelt. Engagement, Inhalte und Impact scheinen lästig, überflüssig und eben langweilig. Die Motivation für Graffiti und Rap sehen Marvin Matzerok (DJ Reckless) und Max Grambow (MC Bomber) nicht in der Herausforderung, jahrelang singuläre Styles und Skills zu trainieren, sondern in der Überwindung der unerträglichen Monotonie und Trostlosigkeit kulturell verarmter männlicher Monokulturen wie Rap, Graffiti, Techno, Club- und Festival-Business.

Graff- & Kiezkopie Mit den Jungs (2017) im Paradies (2021): 187 Strassenbande mit den Rappern Bonez MC, Gzuz, LX, Maxwell, Sa4 & den Malern Frost & Track

8. Abwehr und Wiederholung als männerbündischer Fluch

Führt die jahrzehntelange, ewige Wiederkehr der immergleichen Themen, Szene- und Männlichkeitsrituale zu Überdruss, Stillstand, Lähmung und Reaktionismus? Hängen Rap, Graffiti und Graffiti-Rap im Dauerloop der Diskriminierungsformen fest, um ihre strukturelle Phantasielosigkeit zu übertönen? Bleibt der Monotonie-Exzess nur erträglich, wenn man die inhaltliche Leere mit Abwehr, Gewalt, Misogynie, Antifeminismus, Antisemitismus, Rassismus, Ableismus, Klassismus, Homo- und Transfeindlichkeit zubetoniert? Wie die Texte, Bilder und Videos über eine Spanne von beinahe 20 Jahren eindrucksvoll zeigen, ist die Antwort eindeutig: ja natürlich! Wenn kulturelle Armut und stumpfe Stasis über Jahrzehnte nichts Neues und Singuläres hervorbringen, scheint es offenbar wenig plausibel, das strukturelle Problem zu lösen und männlich dominierte Monokulturen aufzubrechen. Vielmehr manifestiert sich die strukturelle Gewalt von Männerbünden als institutionalisierte Selffulfilling Prophecy einer allgemeinen Strukturlogik, die Mann und Markt bereits derart totgeritten haben, dass es erstaunlich ist, wie unermüdlich zäh sie den Rapgaul weiter durchs Mainstream-Dorf schleifen. “Verloren und besessen” (Damagers, DVO).

9. Wie hoch ist der Männeranteil?

Um sich die gewaltvollen Inhalte zu sparen und den gewonnenen Repräsentationsraum für die Interpretation von diversen, feministischen und intersektionalen Rapper:innen verwenden zu können, gibt es eine weit effizientere Methode als sich jeden Text einzeln vorzuknöpfen: Durchzählen. Zu Beginn des vorliegenden Textes habe ich deshalb zum einen den überwältigenden Männeranteil im deutschsprachigen Rap offengelegt, zum zweiten jenen im Graffiti. Dass männlich dominierte Monokulturen per definitionem kulturelle Armut hervorbringen, steht außer Frage. Wer, außer den Männern selbst, wollte das leugnen? Die gesamte Gesellschaft scheint schwer unterfordert und sediert ob der ewig gleichen Erzählungen und Männerbilder. Ich bereue jeden Tag, nicht in einer diversen Welt mit diversen Geschichten und Tropen aufgewachsen zu sein. Männliche Schweige-, Blockade- und Abwehrkulturen jedoch haben bis auf Weiteres keinerlei Interesse daran, sich aufzulösen und ihre Privilegien abzugeben (vgl. May 2020). Weshalb Durchzählen eine äußerst wirksame und schnelle Methode ein kann, Männerbünde zu erkennen, zu benennen und hinter sich zu lassen. Caroline Criado-Perez macht in ihrem Buch Die unsichtbare Frau (vgl. Criado-Perez 2020) genau das. Sie zählt durch, wie noch nie jemand vor ihr durchgezählt hat: “Das Buch ist ein Mammutwerk […] voll entsetzlicher, nützlicher Studien und Statistiken” (Striegan 2020).

10. Männerbünde meiden! 

Können wir womöglich auch den emotionalen Gehalt ganzer Textgenres wie zum Beispiel Graffitirap durchzählen? Zunächst einmal – wie bereits erwähnt – gibt es dieses Genre gar nicht. Meine Facebook-Recherche hat dazu nur 56 Songs zusammengetragen (Liste unten).[25] 56 Songs also bilden bestenfalls das Sub eines Subgenres. Beim Durchhören dieser Liste dann das gleiche Erlebnis wie beim Durchblättern von Rogers Never be late: Unterforderung, Langeweile und nahezu keinerlei emotionale Interaktion außer ungeduldiges Vorspulen. Wieso reagiere ich heute mit absoluter Gleichgültigkeit auf Texte, die mich zwei Jahrzehnte meines Lebens tagein tagaus begeistert haben? Ganz einfach: Weil sie Gewalt, Frauenhass und Abwehr feiern als gäbe es keinen Morgen mehr. Bin ich abgestumpft oder abgestoßen? Beides. Bin ich 41 Jahre alt? Auf jeden Fall. Eine Frage des Geschmacks? Auf keinen Fall. Nein, sondern eine Frage des Wissens, der Aufklärung, des Bewusstseins für den feministischen Diskurs. Und natürlich eine der Empathie für die Betroffenen, die hier auf vielfältigste Weise verachtet, niedergemacht und geleugnet werden. Heute meide ich Männerbünde und männliche Kulturproduktionen, sofern ich sie nicht gerade auf Männlichkeit hin untersuche. Und die Zahlen könnten nicht eindeutiger sein: Im Deutschrap laufen genau die gleichen männerbündischen, also strukturellen Toxic-Loops wie im Graffiti, Breakdance oder Djing. In einer Umgebung aus Misogynie, Gewaltphantasien, Wiederholung, Abwehr und emotionaler Sprachlosigkeit haben auch jene seltenen Punchlines keine Chance mehr, gehört zu werden, die die Toxizität des jeweiligen Männerbundes infrage stellen. Sie gehen einfach unter.

11. Macht der Gewohnheit

Ließen sich die toxischen Strukturen wortgewaltiger Schweigekulturen offenlegen, ohne dass wir uns persönlich jeden einzelnen Song anhören, wäre das also nicht nur aus Zeitgründen ein Gewinn. Man sparte sich zudem die psychischen Erschütterungen, den überbordenden Frust dieser Texte, die menschenverachtenden Drohungen, offenen Frauenhass, Klassismus, Rassismus, Hate Speech, Schilderungen expliziter Gewalt uvm. Statt von Mehrfachdiskriminierung muss man klar von Hundertfachdiskriminierung sprechen, die einem aus diesen Kanälen entgegen brüllt oder stammelt oder beides.

Denn um es noch einmal zu betonen: Deutsch-, Battle- und Graffitirap sind nur deshalb so erfolgreich, weil männerbündische Produktionen seit vielen Jahrzehnten den Markt dominieren und wir uns schlicht an deren Abwehr gewöhnt haben, aufgewachsen sind mit zahllosen Gewalt- und Hassphantasien und darin sozialisiert wurden, offenen Sexismus, Frauen-, Schwulen- und Transfeindlichkeit zu feiern, zu liken und mitzurappen. Wir unterschätzen die Repräsentationsmacht der Gewohnheit, gerade weil wir in Kindheit und Jugend maßgeblich durch monotone Männerphantasien geprägt wurden, die strukturell und institutionell fest in der Gesellschaft verankert sind, ja diese Gesellschaft zum Großteil hervorbringen.

Das Dilemma: Sobald der männlich dominierte Impact auf die interpersonalen und internalisierten Verhaltensweisen und Gewohnheiten von Menschen bis in sämtliche Lebensbereiche vorgedrungen ist, wird er unsichtbar.[26] Zweites Dilemma: Die Männer stellen sich seit Jahren neu auf und passen sich an, sind aber nicht bereit, ihre Bünde aufzubrechen, ganz im Gegenteil. Über die “Restrukturierung von Männlichkeit” siehe Birgit Sauer, 2011.

12. Warn-Apps gegen Männermonotonie und -bünde

Wie also können wir die rudimentäre Gefühlssprache von Rap-Lyrics analysieren, ohne unmittelbar psychische und physische Schäden zu erleiden? Mit Algorithmen und Datenbanken natürlich. Hier am Beispiel einer hochinteressanten Studie von The Pudding, die sich, wie auch die eingangs benannte Spiegel-Studie zeigt, vermutlich ohne weiteres auf deutschsprachige Rap-Texte anwenden ließe. Die Datenanalyse-Plattform hat 2017 die Lyrics von 50.000 englischsprachigen Rap Songs (26 Millionen Wörter) ausgewertet. 

Zu den am wenigsten verwendeten Wörtern im HipHop zählen: 

Emptiness, Desire, Broken, Heart, Cried und Alone. 

Die „Most HipHop Words” lauten: 

Bitch, Pussy, Hoe, Snitch, Gangsta, Beef, Bro, Dope, Homeboy, Goon, Striper, Shit, Chopper (AK-47), Dick, Pimpin, Hood, Stash, Shooter, Blunts, Tech, Hustle uvm.[27]

Die Auswertung der Studie ist inhaltlich und grafisch phänomenal. Und ohne ihren unmittelbaren Kontext sind auch die härtesten Begriffe gerade noch zu ertragen. Hätte ich also die Tools dazu, würde ich das komplette Lyric-Konvolut des Deutschrap in entsprechende Algorithmen einspeisen und einfach durchzählen. Nicht literarisch analysieren, nicht vergleichen, sondern durchzählen, Fragen stellen, sichtbar machen. Würden wir als Kultur- und Literaturwissenschaftler:innen künftig eng mit Entwickler:innen und Info-Grafiker:innen zusammenarbeiten, könnten wir hochinteressante Algorithmen basteln, die uns zum Beispiel den Ausdifferenzierungsgrad spezifischer Gefühlssprachen visualisieren oder in Echtzeit das Misogynie- und Abwehr-Level von Neu-Erscheinungen auslesen lassen. Denn je schneller wir Strukturen und Inhalte in Statistiken und Grafiken gießen können, desto schwerer für Männer, ihre Macht zu missbrauchen und sich stattdessen auf ihre Kunstfreiheit zu berufen. Oder wie Böhmermann es kürzlich formuliert hat: „Das Konzept Kunstfigur ist zu Ende.” Quasi ausgezählt. Und die Männerbünde? Wären zumindest angezählt.

13. Rant gegen männliche Abwehr

Ich fordere Euch hier und jetzt auf, sämtliche Männerrunden hinter euch zu lassen. Quasi Aussteiger-Programm für alle, die keine Lust mehr haben auf sexistische Bro-Kulturen, keinen Bock mehr auf hypermaskuline Macht- und Karrierespielchen, und die genervt sind von stumpfen oder archaischen Männer-Ritualen. Ja, die ihr immer gleiches Männerleben in der immer gleichen Männerwelt mit dem immer gleichen Männerkörper einfach leid sind. Und die nicht länger dabei zuschauen wollen, wie ihre übermächtigen Schweige- und Blockadekulturen alles verhindern, was die Welt gerade voranbringen würde: Klimaschutz, Diversität, intersektionaler Feminismus, soziales Engagement und so vieles mehr.

Die meisten Männer sind auch einfach emotional verarmt und schwer unterfordert von der kulturellen Armut, die ihre männerbündischen Monokulturen hervorbringen. Ihre emotionale Sprachlosigkeit ist legendär, der Katalog ihrer Abwehrstrategien historisch. Ich versuche also, die Kritik an Männern und Männlichkeiten zu beschleunigen. Weil mich so richtig nervt, dass Männer sich nicht in relevanter Zahl am feministischen Diskurs beteiligen. Mich nervt es übertrieben, dass Männer sich nicht für Gleichstellung und Frauenrechte engagieren. Wo seid ihr alle? Wieso schweigt ihr? Was ist los mit euch?

Ich bin wütend, dass ich in beinahe jedem Unternehmen und jeder Organisation erstmal gegen eine Wand aus Ignoranz und Leugnung und Abwehr und Relativierung renne, weil die meisten Männer schlicht kein Interesse daran haben, ihre Old-Boy-Netzwerke aufzubrechen. Keinerlei Interesse zeigen, ihre Privilegien abzugeben. Nicht das geringste Interesse, sich für die Rechte von Frauen, inter & trans Personen zu engagieren. Ich habe es so unfassbar satt, dass sich Männer als Opfer inszenieren, mir dauernd ungefragt ihre öde Welt erklären oder sich wieder und wieder und immer wieder passiv-aggressiv wegschweigen, hinausstehlen, nicht teilnehmen, abtauchen, blockieren, von sich weisen, dagegenhalten, kindisch, trotzig, beleidigt.

Nein, stattdessen unternehmen sie alles Männermögliche, um ja bloß nicht Gesicht zu zeigen. Bloß niemals Väter, Großväter, Söhne, Onkel, Freunde, Partner und Kollegen zur Rede stellen, kritisieren und zur Verantwortung ziehen. Von der katholischen Kirche bis Hollywood, von der FIFA über Deutschrap bis zum DAX. Überall dort, wo Männer unter sich bleiben, entwickeln sich toxische Monokulturen, die Gift sind für Geschlechtervielfalt, Gift für die unzähligen Varianten sozialer Beziehungen und Lebensformen, Gift für diverse Erzählungen und kulturellen Reichtum.

Niemand, wirklich niemand interessiert sich ernsthaft für Männerfußball, Supermänner oder selbstfahrende Autos. Niemand für die nächste Star Wars Trilogie, virtuelle Realität oder Männer auf dem Mond, auf dem Mars. Statt verzweifelt eure armseligen Bullshit-Industrien am Laufen zu halten, will ich euch auf der Straße sehen, will eure Stimmen hören, euren lautstarken Protest gegen Sexismus, Frauenhass, gegen Machtmissbrauch und Männermonotonie. Wir sollen dankbar sein, dass ihr euch mal langsam für eine ausdifferenzierte Gefühlssprache begeistern könnt? Solange ihr nicht gegen das Patriarchat mobil macht und wir uns statt Frauenquoten keine Männerlimits setzen, ist das nur eine weitere Farce, eine Täuschung, ein leeres Versprechen.

Wieso glauben die meisten Männer, Feminismus hätte nichts mit ihnen zu tun? Wir sind das Problem! Unsere Männerbünde sind das Problem. Unsere übermächtigen Schweige- und Bro-Blockaden bilden das Fundament für Frauenhass, Gewalt, Rassismus und Faschismus, für Verschwörungstheorien, Hate Speech und Mansplaining. Wenn wir das nicht aufbrechen, wer dann? Die Frauen? Die Anderen?

Fußnoten

[1] Um geschlechtersensible Sprache zu gewährleisten, verwende ich den Doppelpunkt. Vorteil ist, dass der Doppelpunkt im Gegensatz zum Sternchen oder Unterstrich von Screenreadern für blinde Menschen erkannt und als Pause gelesen wird.

[2] Bis zu sieben Meter hohe Signaturen mit verdünnter Farbe, die aus Feuerlöschern herausgeschossen wird, die vorher unter Hochdruck gesetzt werden.

[3] Erinnerungen und Screenshots: https://detoxmasculinity.institute/ueberdose-graffiti-archiv-berlin-international-2006-2011-rip-malte-reissig-carsten-janke-tim-kirchner-christoph-may/ (zuletzt aufgerufen am 19.01.2021).

[4] Weshalb erkennt und liest Reckwitz die singuläre und die allgemeine Strukturlogik nicht als male-dominated und male-driven? Warum räumt er der Geschlechterfrage nicht einmal zwei Seiten ein? Könnte es daran liegen, dass er in einem männlich dominierten Wissenschaftsbetrieb mit männlich dominiertem Lektürekanon sozialisiert wurde?

[5] Mit der Genderperformance von Young M.A. beschäftigt sich Naomie Gramlich in diesem Band.

[6] Zum Projekt ‚365 Female MCs‘ und feministischen Interventionen im Bereich Battle-Rap vgl. das Gespräch zwischen Lina Burghausen, Ana Ryue und Heidi Süß in diesem Band.

[7] Berlin: Writing Graffiti. Hitzerot 2019.

[8] Graffitirap steht für Rap über Graffiti.

[9] Ein jährlich stattfindender, internationaler Breakdance-Wettbewerb.

[10] Nie genug. Beatfabrik feat Separate, Joyce, Blackbook 3, Tape, Seite A (2003).

[11] Tagging-Stil der Pixadores aus São Paulo und Rio de Janeiro.

[12] Großflächige Wandmalereien in Auftragsarbeit.

[13] “Insgesamt arbeiten 41.000 Menschen bei der Polizei des Bundes, aber nur 22 Prozent von ihnen sind Frauen. Zum Vergleich: In den Polizeien der Bundesländer beträgt der Frauenanteil laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich 28 Prozent.” Kai Biermann: Der Männerladen, Zeit Online, 26. Oktober 2018.

[14] Erhebungen nicht möglich, grobe Schätzung: 99%.

[15] Buchstaben von Graffiti-Pseudonymen mit silberfarbenem Fill-In.

[16] Umrandung, Kontur.

[17] Zum zugehörigen Musikvideo geht es hier: https://youtu.be/oGs1GlgrmbI (zuletzt aufgerufen am 13.01.2021)

[18] Einseitig komplett besprühte Waggons.

[19] Einseitig komplett besprühte Züge.

[20] Rangierbahnhöfe, Abstellgleise, Wartungshallen.

[21] OneUp x Grifters Code: Verry Good Guys, 2013.

[22] Sprühköpfe für Farbdosen, die einen breiten Farbauftrag ermöglichen.

[23] Wie schaffst du’s ohne Coca, den ganzen Tag schwul zu grinsen / du Po-Spritz-Indianer bist in Ostberlin der Winnetou […] Honig ist für Homos, euer Crewname „die Fleißbienchen“ / Ich bin ’ne Hornisse und zerfleische solche Scheißtierchen”: Missgunst und Neid. Predigt, 2016.

“Bald kann man bei deutschen Rappern endlich echte Männer finden / Die nicht nur schwul Rappen wie Future, sondern auch Männer bimsen / Euch zu zerstör’n ist mein Job […] Dein Style ist wie Mauli, dicker: Arrogant, doch leider schwul”: Musik aus meiner Crew. P-Berg Battle Tape 4, 2016.

“Früher war der schwule Wessi-Rap das Feindbild […] Eure schwulen Masken flößen nicht mal Weibern Angst ein”: Keine Wissenschaft. MC Bomber, Frauenarzt, Mutterficker, März 2016.

[24] “Eine Frau bleibt auf Ewigkeit ein Gegenstand”: Sex und Gewalt. Finch asozial feat. MC Bomber, April 2018.

“Ich renn’ durch die Hood und bin am Stoff ballern und Weiber schlagen”: Keine Wissenschaft. MC Bomber, Frauenarzt, Mutterficker, März 2016.

“Rap ist Männersache?” “Yup, auf jeden Fall, also ist schade, aber Rap klingt mit Frauenstimmen nich so cool, find ick persönlich. […] Also Mädels, Finger vom Rap!”: Illegale Fragen mit Max Grambow, Rap ist Männersache, MDR Sputnik, 2018.

“Es gibt eine Verschwörung der unreifen Mädels, die den Erklärbär mimen. […] Werd mich bemühen, mich geschlechtlich umzuwandeln, um auch in die Rolle vorpubertierender Frauinnnen zu schlüpfen, um die Welt mit ihren traurigen Äuglein zu betrachten.” Max Grambow über Helen Fares, Instagram @helen_fares, Mai 2020.

[25] Für ihre Hilfe bei der Recherche möchte ich mich bei Martin Gegenheimer, Michael Baldé, Gösta Wellmer, David Reum, Kat Ih, Fubi Flockson, Randy Orten, Veronika Leted, Lukas Fuchsgruber und Marcus Zahn bedanken.

[26] Männliche Privilegien sind für Männer unsichtbar, weil sie überall sind und sie immens davon profitieren.

[27] The Language of HipHop. The Pudding (pudding.cool), The Data Face, Matt Daniels, September 2017.

Deutschsprachiger Graffitirap – Tracklist (Youtube)

Beatfabrik: Nie genug.
Kontra K: Adrenalin.

DVO: Damagers.
DJ Reckless & MC Bomber: Chrom, Schwarz, Fatcap.

MC Bomber & Shacke One: Underground.
Graffiti: We created a Monster.
Akte One: Bin und bleib
, Stylejunk, Helden der Nacht, Klick Klack, Mit dem Teufel Hand in Hand!, Wholecar.
Holger Burner: Wär Mein Rap Graffiti…
Fler feat. Damagers: Dieser Boy.
Torch: Frederik K.
Mc Heroin: Mein Train.
Körpa Klauz: Babuum.
DJ Phekt & DJ Melrok: Graffiti Walls.
Slowy: Unsere Stadt.
Too Strong: Graffiti Pro, Rabenschwarze Nacht.
Pure Hate: Musikvideo.
Skim: Drück rauf.

Slowy & 12Vince: Leben.
Toni L: Der Zug rollt.
Khrome: Immer noch.
Bilo19 & Laif: Von Chb nach Tegel
, Vom Corner bis zur Pinte.
IvanG: Harry Botter und der Doppelhandprinz, Harry Botter und der Wholecar des Todes, Harry Botter und der Style auf Eisen, Harry Botter und der Gefangene im S-Bahn Yard, 6er Pack, Alles hat ein Ende, Auf den Schienen, Umsonst, Faulenzer.
Saftboys: Championsleague, Sandalen & Socken, Weiße Weste, Hauptstadt, Finisher, Allstars.
Hinz & Kunz: Cumbodscha.
AzudemSK: Classic, Auf Takt, Eine Liebe.
Presslufthanna feat. Teleluke: Geschichte wird gebufft.
Tiefbasskommando: Deine Mutter is ne Nette, Mundgeruch.
RapK: Airdrop.
Mok: Westberlin Camouflage.
Tiger104er & Rokko Weissensee: Hennessy.
Luvre47: U7 Freestyle.
Tierstar, Peshmerga, Asek, Fauzy: 1 Tag mehr in da Hood.
MotB: Hoodparadies.
Foederation: One Love.

Literatur

Battlerap-Bundesliga: instagram.com/battlerapbundesliga (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

Hermann, Katia, Straeck, Mark (2019): Berlin: Writing Graffiti. Berlin, Hitzerot.

Böhmermann, Jan: Jan Böhmermann bei „Spitzentitel“ über Twitter, Satire und Cancel Culture. Hamburg, Der Spiegel youtu.be/mT1ZnXb0uWI (Letzte Abfrage: 28.12.2020)

Burghausen, Lina: 365femalemcs.com (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

Criado-Perez, Caroline (2020): Die unsichtbare Frau. München, btb.

Jünger, Ernst (1934): In Stahlgewittern. Ein Kriegstagebuch. Berlin, Mittler & Sohn.

Marçal, Katrine (2016): Machonomics. Die Ökonomie und die Frauen. München, C.H.Beck.

May, Christoph: Graffiti – Gefühle und Gewühle. youtu.be/THr_JuNRidc (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

May, Christoph: Rant gegen männliche Abwehr. youtu.be/e2jyA6GivP0 (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

May, Christoph: Graffiti – Von Männern und Mauern. youtu.be/wQqn0cXwdho (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

May, Stephanie; May, Christoph: Detox Masculinity Network: detoxmasculinity.net (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

May, Stephanie; May, Christoph: Institut für Kritische Männerforschung: christophmay.eu (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

Modus Mio: instagram.com/modusmio (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

Pohl, Rolf (6.3.2009): “Männer haben Angst vor Frauen”. Berlin, taz.

Pohl, Rolf (2004): Feindbild Frau. Hannover, Offizin.

Preußler, Jo, Cogitatio-Factum (2017): The Death of Graffiti. Berlin, Possible Books. Alle Essays auch online unter menetekel.org (Letzte Abfrage: 28.12.2018).

Roger (2020): Never be late. Berlin, Hitzerot.

Reckwitz, Andreas (2017): Die Gesellschaft der Singularitäten. Berlin, Suhrkamp.

Sauer, Birgit (2011): Restrukturierung von Männlichkeit. In: Bereswill, Neuber (Hrsg.): In der Krise? Männlichkeiten im 21. Jahrhundert. Münster, Westfälisches Dampfboot.

Striegan, Agnes: Warum Schutzmasken schlechter auf weibliche Gesichter passen. München, Süddeutsche Zeitung.

Rohwer, Björn: Datenanalyse von Sexismus im Deutschrap. spiegel.de/kultur/musik/sexismus-im-deutsch-rap-text-analyse-aus-vier-jahrzehnten-rap-geschichte-a-8777bc4f-0c5d-461e-8d19-e99d69a3e3d0 (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

The Pudding (pudding.cool), The Data Face, Matt Daniels: The Language of Hip Hop (Letzte Abfrage: 28.12.2017).

TopTier Takeover: instagram.com/toptiertakeover (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

Underrated Deutschrap: instagram.com/underrateddeutschrap (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

USC Annenberg Initiative 2020: annenberg.usc.edu/news/research-and-impact/popular-music-still-missing-female-voices (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

West, Kanye: Grammy. twitter.com/kanyewest/status/1306280073209589760 (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

West, Kanye: Verträge. twitter.com/kanyewest/status/1305671043097468928 (Letzte Abfrage: 28.12.2020).

Rap & Geschlecht – Inszenierungen von Geschlecht in Deutschlands beliebtester Musikkultur 

Beltz/Juventa 2021, Heidi Süß (Hrsg.)

„Die interessantesten und innovativsten Analysen des Bandes sind im letzten Kapitel „Männer-Rap – Neue Sichtweisen auf alte Strukturen“ zu finden.“ Rezension von Helene Nikita Schreiner für Deutschlandfunk:

Inhalt

Heidi Süß
Ihr habt lang genug gewartet, dass ein Sammelband erscheint.

Rap & Geschlecht. Eine Einleitung
Inside Deutschrap – Selbstermächtigung und neue Sichtbarkeiten

Sina A. Nitzsche und Laura I. K. Spilker
„Ich bin nicht so eine, doch genau so eine bin ich“: Shirin David, sexpositives Selbstmarketing und die Aneignung der Jezebel-Ikonografie auf Instagram

Felix Böhm und Dagobert Höllein
„ich will nicht A:Lles ich will mEhr (.) mEhr (.) MEH:R,“. Female Empowerment und seine multimodale Inszenierung in Paranoia von Frizzo feat. Antifuchs

Penelope Braune
Die (fe:male) Herstory des deutschsprachigen Rap – vom Underground zur Modus Mio-Playlist

Christine Psutka und Marco Grassel
Sprachliche Praktiken der Selbstermächtigung im deutschsprachigen Rap

Transnationale Perspektiven

Jeanine Arn
„Ein Frauenbild wie Hinterwäldler?“ Über Geschlechterkonstruktionen und Sexismen im Schweizer Rap(diskurs)

Jelica Popović
„Malo nas je al’ smo kučke“. Über bičarke, kučke, sponzorušas und ‚Balkan-Bitches‘. Weiblichkeitsmodelle im postjugoslawischen Rap

Naomie Gramlich
Bling-Bling Kweens. Intersektionale Aushandlungen von Reichwerden, Queerness und Rassifizierung in afrodiasporischen HipHop-Kulturen

Diskurse und Interventionen zwischen Theorie und Praxis

Anna Groß und Marie Jäger
„Das Leben ist ne Bitch, ich pack’ die Schlampe an der Gurgel.“ Rap, Geschlecht und Empowerment in der Jugendarbeit

Murat Güngör, Hannes Loh, Frieda Frost, Bettina Lösch
Grenzüberschreitungen zwischen Sprache und Körper. Breakdance, Gangsta-Rap und hegemoniale Männlichkeit

Sookee
QUING Revisited – Keine Kapitulation, aber eine Rekapitulation

Heidi Süß feat. Lina Burghausen und Ana Ryue
„Und der MC ist divers“. Die HipHop-Aktivistinnen Lina Burghausen und Ana Ryue im Gespräch über weibliche HipHop-Sozialisation, diskriminierungsfreie Punchlines und die Bedeutung von Frauen* im Rap

Männer-Rap – Neue Sichtweisen auf alte Strukturen

Martin Seeliger
Von der migrantischen Aufsteiger- zur heroischen Unternehmermännlichkeit. Wie Kollegah den Konstruktionsmodus hegemonialer Männlichkeit im deutschen Gangstarap verändert hat

Heidi Süß
„Bin die Nummer 1 nur für Mama“. Deutschrap zwischen Mutterfixierung und Vaterlosigkeit. Eine Annäherung aus psychoanalytischer Perspektive

Christoph May
Wiederkäuer – Männermonotonie in Rap, Graffiti und Graffitirap … und was Männer dagegen tun können

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